Katharina Reynhoudt führt ihr Werkzyklus Sack und Asche in eine letzte Phase: Malerei, die durch KI erweitert wird. Ausgangspunkt bleibt das scheinbar Nebensächliche – das Vergessene, am Rand Liegende – das durch die künstlerische Geste ins Zentrum eines Stilllebens gerückt wird.
Die beiden jüngsten Arbeiten des Projekts tragen eigene Titel und doch gehören sie untrennbar zusammen. Sie bilden einen Raum des Selbst, in dem Sack und Spiegel einander begegnen. Der Spiegel fixiert nicht, sondern zeigt das Ich in seinen Übergängen: gebrochen, verschoben, flüchtig. So wird erfahrbar, dass Identität kein stabiler Kern ist, sondern ein Prozess – fragil, im Zweifel, und zugleich im steten Wandel.
Zwischen den malerischen Schritten entsteht eine Zeit der Unterbrechung. Während die Leinwände trocknen, bevor die letzte Glasur sie versiegelt, wächst oft der Zweifel: Werden die Bilder tragen? Doch mit der Rückkehr verändert die Pause den Blick. Aus Skepsis wird Zuneigung – ein leises Wiedererkennen, fast ein Verliebtsein. Dieser Moment, in dem die Werke zurücksprechen, verleiht dem Prozess seine Intensität.
In Reynhoudts Ansatz verbinden sich Malerei und KI nicht als Gegensatz, sondern als komplementäre Schichten. Spiegel und Sack, Ordnung und Bruch – alles erhält Bedeutung, wenn es nicht verdrängt, sondern bewahrt wird. Sack und Asche wird so zur Praxis der Gegenwart: kuratieren statt tilgen, ordnen statt löschen – und dem Vergänglichen für einen Augenblick Dauer verleihen. Sack und Asche, Spur und Zeit. Alles vergeht und bleibt doch bereit. Was sich bewegt, wird leichter im Raum. Aus Last wird Erinnerung, aus Staub ein Traum.
In ihrer Arbeit verdichten sich Alltagsfragmente zu Reflexionen über das, was unsere Gegenwart leise prägt.
FOTOS: Alexandros Nicolaides © 2025